Also spätestens, als die Kanzlerin seinerzeit den Digitalausbau zur Chefsache machte, schwante mir gleich Übles. Wie sich dann im Lauf der Zeit herausstellte, zu Recht.
Vor etwa vier Jahren rannten mir Unternehmen die Tür ein, die „das schnelle Internet“ versprachen. Gemeint ist natürlich ein Glasfaseranschluss, der mich in die modernen Zeiten katapultieren sollte.
Ein Vergleich von damit erzielbaren Geschwindigkeiten und meinen derzeitigen, per Kupferkabel erreichten, ergab leider, dass außer einem höheren Monatspreis keine Veränderung zu erwarten war. „Ja aber der Anschluss ist bei Abschluss eines Zwei-Jahres-Vertrages umsonst!“ wurde ich belehrt. Was heißt schon „umsonst“? Die Kosten für den Anschluss sind doch offensichtlich auf den Zwei-Jahres-Vertrag umgerechnet!
Also nix mit Glasfaser.
Den anderen, die sich auf das Versprechen, endlich moderne Datenraten zu erzielen, eingelassen hatten – wurde erst mal nichts zuteil. Wie ich jetzt in der Zeitung lesen konnte, hat das Unternehmen den erzürnten Kunden auf einer Versammlung kundgetan, jetzt, jetzt aber, jetzt aber gewiss werde man alle Aktivitäten bündeln und endlich den ersehnten Anschluss in Betrieb nehmen.
Ich musste etwas grinsen. Zwar waren vier Jahre lang Bautrupps unterwegs, die Welt mit rot-weißen Baken vollgestellt und Kilometer von Glasfaserkabeln im Boden versteckt worden. Zur Inbetriebnahme fehlt allerdings noch etwas. Da, wo dereinst die Schaltkästen den Hausanschluss regeln sollen, kommen immer noch bunte, hübsch anzusehende Kabelbäume aus der Erde und ragen ungeschaltkastet in den Himmel.
Man darf gespannt sein.
Also mit der Hardware dauert es einstweilen noch.
Aber auch die digitalen Anwendungen sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Die Deutsche Post bietet mit der „Briefankündigung“ in der DHL-app die Möglichkeit, sich schon mal vorab zu freuen. Wenn ein Brief im Verteilzentrum gescannt wurde, erscheint er in der App und man kann – unterschiedlich lange – die Vorfreude genießen, bis er endlich im Kasten liegt. Unterschiedlich lange kann es deshalb dauern, weil „gescannt im Verteilzentrum“ noch lange nicht bedeutet, dass der Brief am nächsten Tag zugestellt wird. Die Schneckenpost hat diverse Möglichkeiten, kleine Verzögerungen einzubauen – und nutzt die auch ausgiebig. Und was heißt schon „ein Brief“? In der App taucht ein gescannter Brief auf – in Wirklichkeit kommen aber drei. Zwei davon fanden nicht den Weg in die App. Tja. Überraschung!
Und auch die Mitteilung „derzeit keine Postsendung verfügbar“ in der App entbindet nicht vom Empfang jener unsichtbaren Sendungen. Behördenschreiben, etwa von der Bußgeldstelle des Kreises, fliegen regelmässig unter dem Radar.
Daher: nett gemeint, aber gut gemeint ist nicht gut gemacht, wie Kurt Tucholsky seinerzeit schon wusste.
Und finalemente noch eine Schnurre: ich regele Steuererklärungen etc. pp. schon lange elektronisch. Mit einer Steuersoftware einer namhaften Firma, die auch die Kommunikation mit dem Finanzamt beinhaltet. Bislang erhielt ich den elektronischen Steuerbescheid Tage vor dem in Papierform vom Finanzamt versandten. Gestern überraschte mich allerdings der Papierbescheid hinterrücks. Und erst heute erhielt ich die Mitteilung der Software, mein Steuerbescheid sei verfügbar. Was eine Leistung, wenn die snail-mail die elektronische überholt!
Ja, im Digitalen ist in Deutschland noch viel Luft nach oben!