Schon lange hatten wir einen Kurztrip nach Oslo auf dem Plan.
Von Kiel mit der Color-Line nach Oslo und zurück. Anreise nach Kiel mit der Bahn – Auto kommt nicht in Frage, die A7 ist eher ein Pflegefall. Ach ja: die Fähre legt um 14:00 ab, das Boarding endet kurz vorher. Das Risiko, unsere gesamte Reise ins Wasser fallen zu sehen, weil mal wieder die marode DB Verspätungen anhäuft, wollten wir nicht eingehen.
Wir sind daher am Tag vor der Abfahrt nach Kiel gereist – eine weise Entscheidung, wie sich herausstellen sollte.
Die Reise begann in Bad Oeynhausen mit einem Zugausfall wegen Oberleitungsschadens, es wurde ein Ersatzzug organisiert und so konnten wir dann in Ruhe in Osnabrück auf unseren wegen einer Türstörung verspäteten ICE warten. Der sammelte auf der Reise nach Hamburg noch einiges an Verspätung an (wieder Türstörung, dann Tiere im Gleis), so dass uns in Dammtor dann ein überfüllter Regionalexpress nach Kiel beschert wurde. Immerhin erreichten wir Kiel, wenn auch eine Stunde später als geplant. Bahnfahren, wie man es kennt.
Am nächsten Tag bestiegen wir unser Schiff, die MS Color Fantasy.

Schon beim Anblick unseres Transportmittels nach Oslo kam gelindes Kreuzfahrt-feeling auf.
20 Stunden sollte die Überfahrt dauern.
Beim check-in erfuhren wir, dass der Inhalt der Minibar unser sei (war im Reisepreis enthalten – Stichwort: color-class-cabin).
Pünktlich um 14:00 ging die Reise los, erst im Schritttempo durch die Kieler Gewässer, vorbei an Laboe und viel Marine.
Danach nahm unser Pott seine Reisegeschwindigkeit auf und überholte Schiff um Schiff. Klar, der Status als „Fähre“ macht’s möglich. Nur da, wo die Fahrrinne zu eng war, mussten wir zeitweise hinter anderen Schiffen bleiben und deren Tempo mitmachen.
Abendessen hatten wir für 17:30 im à-la-carte-Restaurant gebucht. Das Menü war sehr übersichtlich, aber die Qualität der Speisen gut und der Service freundlich-zugetan.
Am Morgen dann gefühlt stundenlanges „Schleichen“ durch den Oslo-Fjord. Um pünktlich 10:00 Uhr erreichten wir Oslo.
Was soll man um kurz nach 10 schon im Hotel? Also hatten wir eine Stadtrundfahrt (auch bei Color-Line, wie auch das Hotel und die Oslo-card) gebucht, die so gegen 14:00 zuende sein sollte. Anschliessend würde uns der Bus im Hotel absetzen. Perfekt!
Eine freundliche Norwegerin mit deutschen Wurzeln leitete die Stadtrundfahrt. Zunächst durch die Innenstadt mit diversen Sehenswürdigkeiten, dann zur Skisprungschanze Holmenkollen mit kurzem Aufenthalt.

Dann ging es weiter zum Vigeland-Park mit seinen Skulpturen, hier kurzer Fussmarsch quer durch den Park

und mit dem Höhepunkt „Fram-Museum“ oder „Kontiki-Museum“ endete die Bustour.
Blick vom Fram-Museum über den Hafen auf Oslo
Zum Abendessen sind wir kommod mit der U-Bahn (die hier T-Bane heisst) bis nach „Holmenkollen“ gefahren. Ein kurzer Fussmarsch und wir standen vor dem wegen seines Apfelkuchens hochgelobten „Holmenkollen Restaurang“. Leckeres Essen bei bester Aussicht (die man gefühlt mitbezahlen muss, aber Skandinavien ist halt nicht billig was Restaurants angeht).
Skurriles Detail: auf dem Tisch finden wir einen Aufsteller vor, der uns in drei Sprachen darüber belehrt, dass man dringend den Gebrauch der Kreditkarte empfehle. Solle der Gast das Bedürfnis verspüren, bar bezahlen zu wollen, möge er das bitte unbedingt vorher mit dem Personal besprechen!
Überhaupt scheint bargeldloses Dasein hier Pflicht zu sein. In der U-Bahn halten alle ihr Mobilfon vor das Lesegerät – piep – das Ticket ist validiert. Selbst das Eis auf die Hand wird mit Karte bezahlt! Ich muss inzwischen bezweifeln, dass ein Norweger noch weiß, wie seine Währung aussieht, wenn man Banknoten oder Münzen in der Hand hält.
Wir haben mit unserer Oslo-Card aus Pappe ziemliches Aufsehen erregt. Nach zwei Stationen Fahrt mit der T-Bane erschallte ein geradezu fröhlicher Ruf „Hej hej, billetcontrol!“ und ein freundlicher Kontrolleur musterte kurz unsere Oslo-card. Die Umstehenden musterten auch – allerdings uns, als seien wir Relikte längst vergangener Zeiten. Da hat doch jemand tatsächlich ein Ticket aus Pappe…
Am nächsten Tag war Nationalfeiertag. Norwegens Verfassung wurde am 17. Mai 1814 unterzeichnet und der Staat gegründet.
Keine gute Idee, an diesem Tag die Abreise aus Oslo zu planen – die Verkehrsverbindungen sind größtenteils unterbrochen, selbst Taxen müssen weite Umwege fahren, um den Hafen zu erreichen. Wir hatte zwei Übernachtungen eingeplant – das hat uns vor dem Schlimmsten bewahrt.
Oslo hat ungefähr 640000 Einwohner – und wir haben sie fast alle gesehen. Die Strassen sind voll, in der Innenstadt umfangreiche Strassensperrungen, aus allen Teilen Norwegens reisen die Leute an, um ihren Nationalfeiertag gebührend zu begehen. Man sieht nur Leute in Feiertagskleidung, die meisten davon tragen selbstverständlich und stolz ihre Tracht – und davon gibt es für jedes Tal mindestens eine, meist mehrere unterschiedliche, je nach Länge des Tals.
Man erkennt die Touristen auf den ersten Blick an ihrer „schlampigen“ Kleidung, die Norweger sind herausgeputzt!
Sehenswert (so man einen Standplatz in der Menge findet): der
Umzug der Schulen, der quer durch die Stadt zum königlichen Schloß führt. Auf den Schloßplatz kommt man nur, wenn man ein (kostenfreies) Ticket vorweisen kann – lange vorher buchen, sonst keine Chance!
Nach ein paar Stunden hatten wir genug vom „Bad in der Menge“ und sind ein wenig mit der Strassenbahn spazieren gefahren. Oslo ist ziemlich ausgedehnt und sehr grün, die Fahrt mit der Tram von einer zur anderen Endhaltestelle bietet immer wieder neue Aspekte. Die Stadt ist ansehnlich und sehr sauber. Graffiti gibt’s eher selten hier.
Uns zog es dann auf’s Dach der Oper. Das ist kostenlos begehbar und bietet einen schönen Ausblick über Oslo und Teile des Hafens.

Nebenan befindet sich ein spektakulär verformtes Gebäude: das Munch-Museum.
Ja, „der Schrei“ ist auch zu sehen, aber Munch ist mehr als das. Faszinierend zu sehen, wie man mit derart groben Pinselstrichen das Charakteristische eines Menschen ausformen kann, beispielsweise das Porträt von Friedrich Nietzsche.

Im obersten Stockwerk befindet sich ein Restaurant mit Dachterrasse, aber auch aus dem zweitobersten Geschoss hat man eine geniale Aussicht über Oslo.
Abends sind wir dann ein wenig in Not: wo abendessen, wenn die Restaurants von Feiernden belagert sind?
Unser Hotel hat eine Bar, in der man auch Kleinigkeiten zu Essen ordern kann. Wir begnügen uns mit 2 Burgern (mit potato-wedges). Einschliesslich 2 Rotwein und 1 Aperol-spritz sind wir dann auch schon bei hundert Euro… Die Burger sind nicht so teuer, aber die alkoholischen Getränke. In Norwegen ist man eher pleite als besoffen…
Am Sonntag gestaltet sich die Busfahrt zum Hafenterminal der Color-Line recht mühelos. Der Belagerungszustand ist aufgehoben, alles funktioniert wieder normal.

Bei der Ausfahrt aus dem Hafen geniessen wir nochmal das Kaiserwetter und die schöne Aussicht (auf jeder Seite des Schiffs).
