Wählen mit 16?

In Berlin hat man einen schon länger diskutierten Vorschlag umgesetzt und das (aktive) Wahlrecht auf 16jährige ausgedehnt.

Genialer Schachzug, wenn man weiß, wie leicht die Jugend in dem Alter für hehre Ziele zu begeistern ist, die sich auf „Gerechtigkeit“ und „Nachhaltigkeit“ reimen.

Wenn ich an meine eigene Jugend denke: ich war – höflich gesagt – intolerant, da ich im Besitz der alleinigen Wahrheit war. Ich hatte idealistische Ziele und bin mit der roten Fahne durch Dortmund marschiert. Das hat sich mit der Zeit (und dem Kontakt zum realen Leben) wieder gegeben und heute weiß ich, dass andere durchaus auch Recht haben können, neben meiner gefühlten Wahrheit gibt es noch andere, je nach Blickwinkel. Und niemand, der mir widerspricht ist allein deswegen schon ein böser Mensch. Das hat aber Zeit gebraucht, in der ich Lebenserfahrung sammeln konnte. Schaut man sich heutige „Aktivisten“ jeglicher Couleur an, ist ihnen eins gemeinsam: jung und beeinflussbar sind sie. Glauben daran, im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein, die dann rechtfertigt, andere mit ihren Aktionen zu belästigen, notfalls auch Schäden in Kauf zu nehmen und sich über demokratisch zustande gekommene Mehrheitsentscheidungen hinwegzusetzen. Es geht schließlich immer darum, die Welt/die Menschheit zu retten.

Der Jugend das Wahlrecht zu schenken, ist offenkundig ein Schachzug, der gewisse Parteien mit genügend Stimmen helfen soll, weiter in die Parlamente einzuziehen, obwohl sich doch inzwischen die Zweifel mehren, dass sie da richtig aufgehoben sind.

Ja, die Jugend hat mehr Leben vor sich, als die alten weißen Männer und muss darum mitreden können, höre ich immer als Begründung.

Eines aber wird vergessen: das Wahlrecht setzt reife, mündige Bürger voraus. Na gut, die heutigen 16jährigen scheinen viel reifer zu sein, als noch wenige Generationen zuvor. Dann müsste – in logischer Konsequenz – auch das Strafmündigkeitsalter angepasst, will heißen gesenkt, werden.

Davon ist leider überhaupt nicht die Rede.

Also die Rosinen ja, die Mühen oder die Verantwortung nein.

Ein gefährlicher Weg. Wo hört das auf? In der Grundschule kann man nach kurzer Unterrichtung auch noch Wähler rekrutieren…

Ein falsches Demokratieverständnis, wie ich finde.

In den ursprünglichen Demokratien des antiken Griechenlands war das Recht, an Abstimmungen teilzunehmen, an eine gewisse weltliche Wohlhabenheit gebunden. Nur wer die Zeit hatte, sich mit einem Thema eingehend zu beschäftigen, sich auf der Agora zu versammeln und zu diskutieren, kam überhaupt in Betracht. Frauen, Handwerker oder gar Sklaven waren außen vor.

Inzwischen kann man durchaus politisch gebildet sein und seinen Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen, das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die wir den Urformen der Demokratie voraus haben. Und so hat die Demokratie auch eine Entwicklung hinter sich, vom Stimmrecht für Reiche über das Drei-Klassen-Wahlrecht (je nach sozialem und finanziellem Status gab es mehr Stimmen) über die Einbeziehung von Frauen zur heutigen „Ein-Mensch-eine-Stimme“-Prinzip.

Davon, dass jetzt auch Kindsköpfe abstimmen dürfen, wird die Demokratie allerdings nicht profitieren, eher im Gegenteil.