ex post

In Dortmund hat der Prozess gegen einen Polizeibeamten begonnen, der im Rahmen eines Einsatzes einen Menschen mit seiner MP5 erschossen hat.

Einzelheiten kann man einem Artikel entnehmen, den ein Fachmann – Steffen Meltzer – dazu auf Tichy’s Einblick geschrieben hat.

All die komplexen Erwägungen, die da geäussert werden, sind berechtigt – aber leider nicht hilfreich, wenn man diesen Fall beurteilen will.

Da ist die Rede von Tasern, Pfefferspray und der Wahl des geeigneten Einsatzmittels. Von einer psychischen Störung des Delinquenten. Von möglichem „suicide by cop“. Vom Trainingszustand der Beamten.

Alles gut und schön, sicher berechtigte Überlegungen – nur nicht zielführend. Sie erklären sehr gut, wie die Beamten in diese Situation gekommen sind, bieten aber keine Hilfe bei der Beurteilung, ob der Tod des Delinquenten vermeidbar gewesen wäre.

Die Lage am Einsatzort stellt sich für mich so dar, dass ein Mann mit einem durchaus tödlichen Messer sich auf die Einsatzkräfte zubewegt und dabei keinen friedlichen Eindruck gemacht hat. Der Polizeibeamte hat von seiner mitgeführten Waffe Gebrauch gemacht, um diesen Mann zu stoppen. Dabei ist dieser getötet worden, getroffen von mehreren Schüssen aus der MP.

Das mag eine ziemliche Vereinfachung sein, aber das scheint mir zulässig und der Kern der Angelegenheit zu sein.

Die jetzigen Überlegungen hin und her erinnern mich daran, dass in meinem Berufsleben genauso oft Situationen vorkamen, die man ex post – und in der Ruhe eines behaglichen Bürostuhls – anders beurteilen würde, als vor Ort. Um drei Uhr früh, nach nur einer knappen Stunde Schlaf nach einem 17-Stunden-Arbeitstag mit nur einer Pause um die Mittagszeit und unter grossem Zeitdruck sieht die Welt sicher anders aus, als man später in der Ruhe des Büros eines Staatsanwaltes glauben mag.

Man muss also versuchen, sich der Sache aus dem Stand ex ante zu nähern, wenn man ihr gerecht werden will.

Das ist einfacher gesagt, als getan.

Und mal wieder ist der Klimawandel schuld!

Heute in der NZZ ein anrührender Artikel über das versinkende Eiland „Tangier Island“ in der Chesapeake Bay. Der Meeresspiegel steige und mache das Inselchen langsam unbewohnbar. Versehen mit eindringlichen Bildern von Einwohnern in Gummistiefeln, die auf ihren überfluteten Grundstücken herumpatschen.

Die Einwohner – von denen sofort ergänzend erklärt wird, sie seien „Trump-Wähler“ – glauben nicht an den Klimawandel. Kann man deren Verblendung noch eindrücklicher belegen?

Der Klimawandel aber, den sie bezweifeln, ziehe ihnen langsam aber sicher den Boden unter den Füssen weg.

Nun kann man solche Artikel – mit und ohne Trumpgläubigkeit – seit geraumer Zeit im Zwei-Jahres-Rhythmus in der einschlägigen Presse finden, Spiegel und NZZ sind da nicht allein.

Immerhin erwähnt die NZZ, dass die Einwohner der Insel an Erosion ihrer „Küstenlinie“ denken.

Was natürlich völliger Quatsch ist, wie jeder einigermassen aufgeklärte Mensch sofort weiss, da ja der infolge Klimawandel steigende Meeresspiegel…

Nun, die Chesapeake Bay ist eine ziemlich befahrene Seefahrtsstrasse, die Städte wie Baltimore MD mit dem offenen Meer verbindet und deren Fahrrinne regelmässig ausgebaggert wird. Solche Ausbaggerungen führen zu veränderten Strömungsverhältnissen, was ja auch die Erosion gewisser Inseln verstärken könnte.

Zusätzlich dazu wird doch tatsächlich in einer sicher nicht der Schwurbler- und Klimawandelleugnerszene zuzurechnenden Zeitschrift, nämlich National Geographic erläutert, neben dem mit 6 inches pro Hundert Jahren ansteigenden Meeresspiegel sacke der Boden der Chesapeake Bay ab. Grund sei das Verschwinden der Gletscher auf dem nordamerikanischen Kontinent, die ehemals den Boden unter sich mit ihrem Gewicht nach unten – und als Folge die Chesapeake Bay nach oben gedrückt haben.

Also doch wieder der Klimawandel.

Ja, auf lange Sicht verändert sich durch den Wandel des Klimas unsere Welt. Allerdings steht bislang noch der Beweis dafür aus, dass es ratsam (oder überhaupt möglich) ist, sich dem Wandel entgegenzustemmen. Die Schlagzeile „Hilfe, wir verlieren die Kontrolle über das Klima“ war der Kulminationspunkt der Verrücktheit.

Wir hatten noch nie die Kontrolle über das Klima!

Statt sich in untauglichen Versuchen der Beeinflussung zu ergehen und irrsinnige Summen Geldes – vergeblich – zu verbrennen, wäre es ratsam, das zu tun, was seit jeher unsere Altvorderen getan haben: sich anpassen. Oder umziehen.

Deichbau und Vordeichen sind immer noch besser, als eine De-Industrialisierung herbeizuführen, um den Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern.

Der scheint ja, wenn man jüngsten Pressemeldungen glauben darf, so dramatisch nicht zu sein. Zumindest die Inselgruppe von Tuvalu, die ja nach Modellrechnungen innert kürzester Zeit versunken sein sollte, scheint nun doch nicht zu sinken. Dies belegen im verlinkten Artikel offizielle Pegeldaten.