chatGPT und die Wissenschaft

Heise Online hat heute einen Beitrag darüber veröffentlicht, wie man mit chatGPT im Hui eine „wissenschaftliche“ Studie erstellen – oder besser gesagt komplett faken – kann.

Leider fielen die so schön erfundenen „Studiendaten“ dadurch auf, dass sie

  • zum Teil keinen Unterschied zwischen „vorher“ und „nachher“ aufzeigen konnten,
  • auffällig waren, weil bestimmte Zahlen unterdurchschnittlich häufig vorkamen
  • und zum Teil die Vornamen nicht zum angegebenen Geschlecht passen wollten.

Dadurch, dass ihre Plausibilität mangelhaft war, fielen sie menschlichen Beurteilern sofort auf.

Und man beruhigt: solche „Studien“ kämen nie durch den vor der Veröffentlichung liegenden peer-review-process.

Und ausserdem seien gefälschte Studien ja schon vor der Erfindung der KI gang und gäbe gewesen.

In diesem Punkt muss ich den Autoren und Kommentatoren recht geben. Wir alle erinnern uns noch an die „Studien“ Heidelberger Krebsforscher, die zum Teil zu verheerenden Behandlungskonzepten bei realen Krebspatienten geführt haben.

Oder den berühmten amerikanischen „Schmerzpapst“, dessen erfundene Studien dadurch aufgefallen waren, dass die Ziffer 9 unterdurchschnittlich oft in den Rohdaten vorkam.

Oder den Mannheimer Anästhesieprofessor, dessen Fälschung von Studien zu Hydroxyäthylstärke als Volumenersatz aufflog, als er im peer-review-process die Einwilligungserklärungen seiner Studienpatienten nicht vorlegen konnte. Wieso das? Nun, es gab gar keine Studienpatienten!

All das beruhigt mich persönlich aber überhaupt nicht.

Denn die offenkundigen Mängel der durch chatGPT erfundenen Studien kann man sicher noch durch Verfeinern des Arbeitsauftrags „verbessern“ und so eine Enttarnung erschweren. Möglicherweise kommt man mit ein wenig mehr Aufwand dann auch durch den peer-review-process.

Stammkunden sterben aus

Als Bestandskunde ist man schon daran gewöhnt, dass Neukundenwerbung immer mit Goodies einhergeht, von denen man als langjährig treuer Kunde nur träumen kann.

Tagesgeldzinsen in astronomischer (Vorsicht, Ironie!) Höhe – der Treue darf sich mit deutlich weniger zufrieden geben.

Ein neues Depot? Neukunden kriegen eine Handvoll Trades zum (Nahezu)Null-Tarif neben einer hohen Depotwechselprämie.

Ein neues Girokonto? Prämie hier, Vergünstigung da.

Erst letztens riss ich erstaunt die Augen auf.

Seit mehr als dreißig Jahren bin ich Kunde eines lokalen Energieversorgers. Und zwar gleichzeitig bei Strom und Gas.

„Support your local dealer.“

Dieser hatte zu Zeiten der Gaspreisexplosion meinen langfristig abgeschlossenen günstigen Tarif gekündigt. Hinweis, man könne zum vereinbarten Preis nicht länger liefern. Aber man bot im gleichen Atemzug einen deutlich teureren Tarif an, schließlich will man ja meine Versorgung weiterhin sicher stellen. Nach einem verzweifelten Rundumblick in der Branche habe ich dann abgeschlossen, es war Winter und man will nicht frieren. Und meinetwegen muss der Versorger nicht Pleite gehen. Sind halt schwere Zeiten.

Dann kam die Jahresabrechnung und obwohl diese eine hohe Überzahlung auswies, wollte man meine künftigen Abschläge erhöhen.

Der sogenannte „Arbeitspreis“ (ct je kWh) selbst kam mir astronomisch vor, schließlich flöteten es die Spatzen von den Dächern, dass der Gaspreis wieder vor-Ukraine-Kriegs-Niveau erreicht habe.

Ich habe dann mal auf der Webseite meines Versorgers so getan, als sei ich Neukunde.

Ei der Daus!

Ein viel günstigerer Arbeitspreis wurde aufgerufen.

Hmm. Also wenn ich schon das böse Spiel mit der Vertragskündigung mitgemacht habe, um meinen Versorger nicht in Not zu bringen, dann erwarte ich selbstverständlich im Gegenzug zumindest nicht schlechtere Konditionen, als sie Neukunden zugestanden werden.

So möchte wohl niemand abgezockt werden, weshalb ein Versorgerwechsel anstand.

Auf meine Kündigung des Vertrags kam nicht mal eine Nachfrage (wie sonst gewöhnlich), warum ich als langjähriger Kunde nun weg möchte.

Und weil wir schon mal in Bewegung waren, habe ich auch gleich noch einen neuen Stromanbieter gefunden. Der kann zwar auch nicht zaubern, der Preis wäre gleich meinem alten Versorger – aber ich kriege ja einen namhaften „Neukundenrabatt“.

Tja.

Das Wort „Bestandskunde“ kommt wohl langsam aus der Mode.

Aus der Mode gekommen

Was früher für einen soliden Rücktritt gereicht hätte, bewirkt heutzutage – nichts.

Da ist ein ungeheuer stabilisierendes Trägheitsmoment aufgetreten, bei dem bleibt einem nur der Mund offen stehen.

Wer erinnert sich noch?

Ein Politiker zu Guttenberg, der beim schlampigen Abfassen seiner Doktorarbeit erwischt wurde. Plagiatsvorwürfe wurden laut – und ehe sie nur annähernd erhärtet wurden, war der Mann schon von allen Ämtern zurückgetreten.

Oder der SPD-Verteidigungsminister Scharping.

Einmal im Pool auf Mallorca in Begleitung einer Dame fotografiert – weg.

Oder noch früher: Kanzler Brandt trat zurück, weil in seinem unmittelbaren Umfeld ein Stasi-Spion enttarnt wurde. Die Frage, ob er selbst mit dessen Einstellung irgend etwas zu tun habe, blieb unbeantwortet. Er trat zurück.

Und heute?

Wir haben einen Kanzler, der ob seiner ungeklärten Rolle im „cum-ex-Geschäft“ einer namhaften Hamburger Bank in die Kritik gerät. Auf wunderbare Weise lässt das Finanzamt Hamburg die Rückforderung einer namhaften Summe zuviel gezahlter Steuerrückerstattungen einfach mal verjähren. Dem vorausgegangen waren mehrere Gespräche mit dem damals Ersten Bürgermeister.

Im Untersuchungsausschuss kann dieser sich nicht erinnern, was Gegenstand seiner Besprechung mit dem Vorstand der Bank gewesen sein mag. Ja, noch schlimmer, die Termine selbst erinnert er nicht mehr. Und das seltsame Gebaren der Hamburger Finanzbehörde kann er sich auch nicht erklären.

Kann man sich vorstellen, dass unsereiner mit solch läppischen Ausreden in einem Ermittlungsverfahren davonkommt? Wohl kaum, man versuche das mal in einem Verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung vorzubringen. So schnell lassen die einen nicht vom Haken.

Mal ganz davon abgesehen, ob er nun tatsächlich etwas Verbotenes getan hat oder nicht – so ein Ermittlungsverfahren und die im Raum stehenden Vorwürfe hätten in der noch gar nicht so fernen Vergangenheit zum Rücktritt des Amtsinhabers geführt. Um Schaden vom Amt abzuwenden.

Aber der Rücktritt als solcher scheint heute doch etwas aus der Mode gekommen zu sein, wie man an zahlreichen anderen Beispielen in der politischen Kaste sehen kann.

Nun, es kommt noch doller.

Endlich gerät Bewegung in die cum-ex-Untersuchung, als die NRW-Staatsanwaltschaft zwei Laptops mit 700 000 e-mails nach Hamburg überstellt. Verzögert, aber immerhin.

Alter! 700 000 e-mails!

Wer asserviert denn so viele e-mails? Aus wie vielen Jahrhunderten stammen denn die?

Löschen die denn gar nichts?

Und warum auf zwei Laptops und nicht auf DVD? Fragen über Fragen.

Aber keine Sorge, Klarheit in der causa entsteht durch diese Beweismittel auch nicht.

Auf unerklärliche Weise hat jemand, der angab, verhindern zu wollen, dass sich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses die e-mails ansehen, die zum Teil auch andere Sachverhalte beträfen, die zwei Laptops jetzt „sicher gestellt“ – heißt: aus der Asservatenkammer entfernt. Dieser Jemand ist auch noch Teil des Untersuchungsausschusses. Sowas kann man sich nicht ausdenken!

Wo sie jetzt sind?

„Sag‘ ich nicht. Aber ich verspreche, nicht daran herum zu manipulieren“.

Ah ja.

Das beruhigt doch ungemein.

 

Auf verschiedenen sozialen Medien werden jetzt „Bananenrepublik“-Rufe laut.

Also bitte, damit täte man einer veritablen Bananenrepublik ganz sicher unrecht.

Die würden sich wenigstens noch Mühe geben, nicht aufzufallen.